Foto: Petra Stockhausen
(English Version below)
Bei meiner Reise zum kreativen Schmelztegel des Nahen Ostens, hatte ich die Gelegenheit ein wunderschönes und inspirierendes Interview mit der Designerin Natalie Walker in Jaffa zu führen.
Schon beim Betreten ihres Ateliers war ich von der Atmosphäre und der Warmherzigkeit der Designerin beeindruckt. Sie empfing mich gemeinsam mit ihrem kleinen Sohn, und sofort spürte ich die kreative Energie, den Raum durchzog.
Nachdem wir ein bisschen Ruhe im Atelier gefunden haben – denn auf den Straßen herrschte zu allen Tageszeiten aufgrund von Purim ausgelassene Feierlaune – erzählte mir Natalie von ihrem Werdegang.
Ihre Ausbildung begann sie im Bereich Textildesign am Shenkar College, dem führenden seiner Art im Nahen Osten und laut Business of Fashion (Stand 2017) weltweit auf Platz sechs der besten Modeinstitute. Schon früh faszinierte sie die Vielfalt von Textilien und die unterschiedlichen Strukturen von Materialien, weshalb für sie eine Ausbildung im Bereich Textildesign für sie besonders passend erschien.
Nach ihrem Abschluss nahm sie sich eine Auszeit, in der ihr Sohn auf die Welt kam. Bereits während ihrer Ausbildung hatte sie begonnen, einige ihrer selbst entworfenen Stücke in kleinen Boutiquen oder auch direkt von Zuhause aus zu verkaufen. Das war für sie eine Zeit des Lernens und Ausprobierens.
Später lernte Natalie die etablierte Designerin Sharon Brunsher kennen, deren Atelier sich am Flea Market in Jaffa befindet. Vier Jahre lang arbeitete sie dort im Verkauf und im Designbereich und gewann damit Einblicke in völlig neue Aspekte des Berufs. Nach drei Jahren bei Brunsher präsentierte Natalie ihre erste eigene Kollektion und erhielt die einmalige Gelegenheit diese im Atelier ihrer Mentorin zu verkaufen.
„Ich bekam Feedback von meinen Kunden und lernte dadurch unheimlich viel. Neben dem Design selbst ist der Austausch mit den Menschen das Wichtigste, besonders am Anfang der eigenen Laufbahn.“
Sie beschreibt diese Zeit als Art zweites Studium, eine „School after school“, wie sie es nennt.
„Man kann sogar beobachten, wie sich eine Kundin bei der Anprobe bewegt, ob etwas gut sitzt und was man für das nächste Teil vielleicht verbessern könnte“, fügt sie hinzu.
Foto: Petra Stockhausen
Sie kennt viele Designer, die nicht selbst verkaufen möchten.
„Es ist normal, wenn man etwas kreiert, möchte man nicht unbedingt verkaufen. Aber der Verkauf und Design sind untrennbar miteinander verbunden, denn letztlich entwirft man für andere Menschen.“
Natalie erklärte. dass Designer zwar ihre eigene Idee verwirklichen möchten, Farben und Stoffe selbst auswählen wollen, sie dies aber stets für ihre Kunden tun. Zu Beginn stellte sie sich sehr häufig die Frage: „Was wünscht sich mein Kunde?“ Doch bald erkannte sie, dass sie selbst eine Kundin mit Bedürfnissen war.
„Ich habe mir dann darüber Gedanken gemacht, was ICH jetzt brauche. Oder wie ich mich an diesem oder jenem Ort fühlen möchte.“
Diese Perspektive ist heute der zentrale Ausgangspunkt ihrer Kollektion.
Vor zwei Jahren eröffnete sie ihr eigenes Atelier in der David Raziel Street 7 in Jaffa, unweit des touristischen Zentrums der Stadt.
Sie führte mich durch ihre Kollektion und erläuterte ihre monochrome Linie: Unterschiedlichen Texturen, die ihre Liebe zum Textildesign widerspiegeln, bilden ihre Farbpalette. Von Weiß, über Creme- und Sandtöne, Beige bis hin zu Khaki und Schwarz. Alle Styles sind von ihr handgefertigt. Viele der Texturen, darunter Tie-Dye, Stone-washed-Optiken und aufwendige Stickereien, entstehen direkt in ihrem Atelier. Inspiration findet Natalie beim Erkunden von Stoffen oder beim Experimentieren mit deren Haptik.
Auf der Nahalat Binyamin entdeckte ich selbst bereits in der Vergangenheit immer wieder ausgefallene Stoffe, die jedes Designer-Herz höher schlagen lassen. Design wird hier von Kreativen beherrscht, die von den unterschiedlichsten Kulturen weltweit geprägt sind.
Während des Interviews huschte ihr Sohn durch das Atelier, überall hingen Fäden an seiner Kleidung. Wir lachten und waren uns einig – so sieht es eben aus, wenn man seine Designs selbst herstellt.
Foto: Petra Stockhausen
Wie unterscheide sich die Modebranche in Israel von anderen Ländern, fragte ich Natalie.
„Es ist schwierig. Das Land ist klein, die meisten Fashion-Lover leben im Zentrum von Tel Aviv. Aber Modedesign ist weltweit ein anspruchsvolles Business.“
Ihre Kundschaft besteht überwiegend aus Touristen aus Europa oder Nordamerika, aber auch viele Einheimische zählen dazu. Natalie denkt darüber nach ihre Designs international anzubieten. Alleine sei das jedoch nicht leicht. Sie wünscht sich mehr Kooperationen zwischen den lokalen Designern und eine stärkere Unterstützung durch den Staat.
„Es gibt hier so viele talentierte Designer, vielleicht sogar mehr als hier Menschen leben“, sagte Natalie und lachte dabei.
Sie betonte, dass junge Kreative schon während ihrer Ausbildung besser über ihre Möglichkeiten informiert werden sollten – ein Mangel, der auch in Deutschland bei den Absolventen bekannt ist und aufgrund dessen ich mein Blogazin Modekarriere.com ins Leben gerufen habe.
„Man beginnt sehr jung mit der Ausbildung. Der Schulalltag ist hart und nach dem Abschluss fehlen die entscheidenden Infos für die Karriere. Oft muss man danach noch einmal von vorne anfangen.“
Dennoch findet man zahlreiche selbstständige Designer in ganz Israel. Das Land erlebt gerade einen regelrechten Start-Up-Boom.
„Israel ist ein sehr junger Staat, und das prägt die Menschen hier. Sie möchten mitwachsen. Dinge verändern sich ständig und entwickeln sich rasant“, erklärt Natalie.
„Außerdem wollen die Leute hier unabhängig sein. Sie lassen sich nur ungern Vorschriften machen und möchten daher lieber ihr eigener Boss sein.“
Sie selbst hatte zu Beginn ihrer Ausbildung nur sporadisch an eine Selbstständigkeit gedacht. Aber damals hat ihr niemand gezeigt, wie so etwas funktioniert. Umso bewundernswerter ist, dass sie ihren Weg gegangen ist und wir dieses inspirierende Gespräch führen konnten.
Vielen Dank, Natalie!
Interview with the israeli designer Natalie Walker
During my journey to the creative melting pot of the Middle East, I´ve got the opportunity to have a wonderful and inspiring interview with the Israeli designer Natalie Walker in Jaffa.
Foto: Petra Stockhausen
When I walked through her studio I already felt her warm-heartedness atmosphere she is working to. Natalie and her lovely son gave me a very kind welcome.
After some resting, as Purim holidays were currently celebrated on every street during those days, Natalie told me about how she got into the fashion business.
She started her education in textile design at Shenkar College, the best college in the Middle East. It´s even ranked as the 6th best fashion institutes in the world (Source: Business of Fashion, retrieved in 2017)
Foto: Petra Stockhausen
She was mostly interested in textiles and the different structures of the materials, so Natalie decided to start her studies in textiles design instead of fashion design. After four years at the Shenkar College she took a little break for the birth of her son.
While studying she started to sell some self-designed clothes at little boutiques, which offered space on the store against commissions. In addition, Natalie sold some self-designed clothes directly from home. It was an experimental phase for her.
Natalie got to know israeli designer Sharon Brunsher. Sharon´s studio is at the Flea Market in Jaffa. Natalie worked at sharon’s studio for four years. She was responsible for the sales and design department and got the opportunity to collect completely new aspects of the job as a fashion designer.
After three years at Sharon Brusher’s studio, Natalie created her very first own collection and got the chance to sell it in Sharon’s studio.
„I´ve got plenty of feedback from the people. I think that‘s the most important thing while designing to be connected with your customers. At least when you start your career you have to feel the feedback.“
She considered this time as a second study, a kind of „school after school,“ as Natalie called it.
„When a customer is coming for a fitting you can see on their movement, if they feel good in what they wear, if something fits or what to improve for next time.“ But she also knows lots of Designers that doesn’t want to sell their own created clothes. „It´s very normal if you want to create something, you don’t want to sell it. But designing is connected to selling, you are always doing it for someone else.“ As a fashion designer we want to express ourselves, we want to choose colours and fabrics. Still we are not working for ourselves, we are doing it for our customers.
At the beginning of the idea of her own brand, Natalie always asked herself what customers want, but soon she realized, that she’s a customer herself with needs as well.
„I thought about what I really need now. How I want to feel at some place?“
That started to be her new point of view for her designs.
Two years ago, she left Sharon Brunsher’s Studio and opened her own studio in Jaffa on David Raziel Street 7, not far from the touristic centre of this impressive city.
She showed me her collection and explained her monochromic line. Many different textures and gradients she uses, reflects her love for textile design. Her colours are restrained. Her palette ranges goes from white, cream, sand tones and beige to khaki and black.
All styles and also many of her textures, tie-dye, stone-washed optics and embroideries are made by her own hands. She gets her inspiration by looking for textured materials and experimenting with its haptic.
Just as curiosity I discovered gorgeous fabrics at the Nahalat Binyamin Street, which would bring lots of joy to every German designer’s heart. In general the israelis have a huge variety in design, which is influenced by so many cultures worldwide.
Natalie told me, with a slightly smile on her face, that in the evenings she’s sitting on her sofa, applying textures to fabrics, while watching Netflix. It can take about two hours to cover a jacket for this effect, but she needs the relaxed atmosphere in the evening for this detailed type of work, as she explains.
During our interview Natalie´s son was running through the studio, of course his clothes were covered in threads, because this is how it looks in a self-made studio. We both started laughing.
“What’s the difference between the Fashion Industry in Israel and other countries?” I ask Natalie.
„Its very hard here, because not enough people live in the country. Fashion lovers mostly live at the centre of Tel Aviv. Though we can say, that fashion business is a difficult one worldwide“.
Tourists from Europe and America, which are visiting Jaffa, are her main clients, as well as some locals.
Her new ambition is, to make her design deliverable all over the world. But as she says it’s not easy to manage this all by yourself as a designer.
She also wishes a better cooperation between israeli designers, together with a better support by the state for the creative heads living in the country.
„There are so many talented designers here – maybe more designers then people,“ Natalie says laughing.
In her opinion young creatives should be informed earlier in their studies about their chances and possibilities. I share the same thoughts, and this is the main reason why I started my Blogazin (modekarriere.com), as for me this problem is international. Young designers also have to fight here in Germany to get to know their possibilities in this branch. “Designers begin their apprenticeship, i. e. Design education in a very early age. They work hard to get good grades but after their graduation they don’t have enough information about their opportunities and they have to start from the beginning”.
Despite this fact, you can find a huge number of independent designers in Israel. You can say there is a start-up boom in the whole country.
Nathalie continues: „Israel is a very young state, which affects young people. They want to grow with it and change things. Furthermore people want to be independent. They don’t like to get said what to do, so they want to be their own bosses“.
At the beginning of her education, Natalie was also thinking about a self-employment, but at that times nobody told her how it could work.
I’m very glad to see how she figured out a way to be independent and that I was able to have this inspiring conversation with Natalie.
Thank you Natalie.
2 Comments
[…] „School after school“, die Erfahrungen der Designerin Natalie Walker in die Selbstständigkeit […]
I couldn’t resist commenting. Well written!